Richard Strauss‘ „Salome“ in der Oper Bonn.
BONN/dw Der Stoff zählt zur Weltliteratur. Unzählige Adaptionen und Interpretationen kamen aus ihm hervor. Die eine aus der Feder Oscar Wildes lieferte die Vorlage zu Strauss‘ Oper. Adaptiert von Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka für ihre Fassung an der Oper Bonn.
Sehenswertes Musiktheater!
Die Übertragung der Szenerie in die 1930er Jahre gelingt – wunderbar! Die üblichen Anachronismen und Albernheiten, die sich häufig aus historischen Transformationen ergeben, werden gekonnt vermieden. Die Kulisse dräut beeindruckend fesselnd in den Bühnenhimmel, die Szenerie eines Wiener Caféhaus saugt den Zuschauer geradezu in die Handlung hinein. Prachtvoll ist vor allem die Umsetzung durch das Bonner Ensemble nebst Gästen. „Salome“ stellt gewaltige Ansprüche an die Solisten, denen alle Stimmen in Bonn gerecht werden. Besonders Johannes Mertes als Narraboth sticht hervor (mit seinem wunderbar schmelzenden, kraftvollen Tenor!). Roman Sadnik überzeugt als abgründiger wie hilfloser Herodes, Manuela Uhl verleiht ihrer Salome bestechende Tiefe. Der ein oder anderen Rolle täte eine stimmlich um ein weniges kräftigere Besetzung gut, doch fällt dieses Manko kaum ins Gewicht, da sich Bonn wieder einmal bis in die kleinste Nebenrolle als äußerst spielstark und -freudig präsentiert. Noch dazu glänzt das Bonner Beethoven Orchester (wieder einmal).
Soweit: Opéra par excellence!
Doch hat die Inszenierung auch ihre Schwächen.
In der Adaption darf sie viel: den Fokus verschieben, Akzente setzen, verdichten, strecken. Sie darf sich im Rahmen der Vorlage beliebig weit bewegen. Verläßt sie ihn, gelingt dies nur dann, wenn so neue Konsistenz geschaffen wird. Ist dies nicht der Fall, weil beispielsweise Konstellationen und Motive entwurzelt werden, führt es zu Ungereimtheiten. Der alte Rahmen paßt nicht mehr, wird aber doch mitgeschleift. So entsteht der Eindruck, die Vorlage sei einzig um einer Ambition willen ihrer Konsistenz, ihrer Dynamik und ihres Wesens beraubt worden. Das Ergebnis kann bestenfalls unverständlich sein.
Auf eine simple Formel gebracht: Interpretation mit der Brechstange stört. Szemerédy-Parditka hatten solch ein Brecheisen bei der Hand und scheuten nicht davor zurück, es zu nutzen. Ihr Ergebnis ist die aktualisierte „Geschichte einer Salome“, deren sexuell orientierte Grausamkeit nicht mehr in höfischer Dekadenz gründet. Sie ist auch nicht junge Naive, die von ihrer politisch-intriganten Mutter instrumentalisiert wird. Ihre Salome ist ein neutestamentarisches Mißbrauchsopfer ihres Stiefvaters.
Der Zuschauer antizipiert und lernt. Er verläßt um wenigstens eine Interprationsidee reicher diese Inszenierung. Vielleicht, daß „köpfen“ tatsächlich „den Rumpf abtrennen“ bedeutet. Sicher jedoch eines: Guter Wille allein zeitigt nicht immer gutes Gelingen.