Notizen zum Ballettjahr 2015/16 an der Oper Bonn
Nachdem Burkhard Nemitz, Tanzimpressorio der städtischen Bühnen gemeinsam mit Intendant Hellmich sein Programm für die Spielzeit vorlegte gab es für Ballettfans nur zwei Denkmöglichkeiten: Resignation oder Prinzip Hoffnung.
Eine Kürzung des Etats konnte kaum etwas anderes andeuteten. War es Nemitz wieder einmal gelungen trotz knapperer Mittel interessante, innovative Compagnien für ein Gastspiel zu gewinnen.
Getreu der Formel aus dem Zauberbuch aller Kämmerer: Ist die Kasse leer, muss man einfach die unbekannten, jungen Kreativen engagieren, die noch am Anfang des Ruhmes stehen.
Aus der Off-Szene kennt man die Magie solcher wunderbaren Perlen des Tanztheaters. Auf den Bühnen in Hinterhöfen und Zentren der freien Kultur, vor einem Publikum, das selten mehr als eine zweistellige Zuschauerzahl ausmacht.
Und jeder weiß um die Schwierigkeiten, die meist entstehen, wenn solche Ensembles auf den Bühnen der großen Häuser ihre ersten Jahre bestehen müssen. Vor einem zehnfachen Publikum, in einem großen arbeitsteiligen Betrieb, mit dem zweifachen Erwartungsdruck nicht allein künstlerisch, sondern auch an der Theaterkasse überzeugen zu müssen.
Und so beschränken sich Ballettprogramme allerorten auf eine Mischung aus bekannten Compagnien der Klassik und des Modern, neuen Impulsen einer arrivierten Avantgarde und der Vorstellung unbekannter Ensembles und Choreografien. Die Blueschips sind sichere Kassenmagneten, die Avantgarde erfüllt den künstlerischen Anspruch der Theatermanager und wenige Entdeckungen würzen ein konservatives Staatstheater-Programm mit dem kreativen Geist der jungen Tanzszene.
An Ende der Spielzeit gilt jedoch eines: Ob Bluechip oder Pennystock, die Plätze sollten gut verkauft sein. Hier lag die Messlatte in der alten Hauptstadt bei nahezu 100% recht hoch. Solch ein Ergebnis war slebst im besten Fall zu halten.
Viele Namen auf der Liste der Gastspiele waren außerhalb der inneren Community kaum bekannt oder ihr Ruhm stammte aus längst vergangenen Zeiten, aus der Arbeit von Choreografen, die dort längst nicht mehr aktiv waren.
Was das Programm sehr deutlich zeigte, war der Verzicht auf international renommierte Truppen, die Garanten für höchsten tänzerischen Standard sind. Kein Neumeier, keine Pariser Oper, keine bekannten Namen aus dem Bereiches Modern Dance.
Es gab nur einige Stücke, die für ein ausverkauftes Haus sorgen. Dafür hatte auch das Programm 2013/14 gesorgt. Eine Spielzeit für die der Generalintendant, dem Vernehmen nach, besonders viele Mittel der Bühnen zur Verfügung gestellt hatte. Nicht nur in finanzieller Hinsicht. Ein Programm, das qualitativ einen hohen Maßstab anlegte und dafür vom Publikum mit beinahe durchgehend ausverkauften Vorstellungen belohnt wurde.
Eine Reise durch die Tanztheater der Welt auf hohem und höchsten Niveau. Eine Spielzeit, die bereits von der Qualität her die Bühnen in Düsseldorf, Hamburg, Berlin und München erreichte. Durch seine Vielfalt und intelligente Auswahl jedoch mit spielerischer Leichtigkeit auf die Plätze verwies.
Alternativ zur Hoffnung bestand nur die resignative Aussicht auf zweitklassiges Tourneetheater. Glaubt man den Aussagen des Intendanten, möchte er die Dritte Sparte an den Bonner Bühnen wieder aufbauen. Dafür sprächen sowohl künstlerische wie finanzielle Gründe. Eine hauseigene Compagnie steht auch für die Produktionen der anderen Sparten zur Verfügung und trägt durch Gastspiele sogar einen Teil seiner Kosten aus sich heraus.
Bernhard Hellmich, Theaterdirektor aus Überzeugung, weiß wovon er spricht und mit was er zu rechnen hat. Nur folgt der Stadtrat einer nachvollziehbaren Rechnung bisher noch nicht. Ob im Stadthaus das Trauma der zweiten Verpflichtung Johann Kressniks weiter fortwirkt, sollte erfahrenen PTBS-Therapeuten überlassen werden.
Doch möglicherweise hat sich aus dem Kressik-Trauma längst eine Fama entwickelt: Aktuelles Tanztheater wirkt nur im ersten Augenblick harmlos, daher ist es sicherer, wenn die Compagnien die Stadt rasch wieder verlassen.
Am Besten gemeinsam mit ihren Impressarios! Sicher ist sicher und niemand muss befürchten ein Stück über die Ehefrau eines Exkanzlers zu sehen.
Was die vergangene Spielzeit angeht wurden beide Erwartungsszenarios erfüllt. Es gab großes Ballett, innovatives Tanztheater und ein erklägliches Quantum Mittelmaß. Zusammenfassend war diese Spielzeit wieder ein Abbild des Welttanzes. Leider nicht der Version 2013/14 reloaded, sondern als B- und C-Version.
Eine Schule des Publikums. Erfrischend anders, um danach die Qualität der Tanztruppen aus der ersten Liga aus voller Überzeugung um so mehr würdigen zu können.
Für derartige Lehrveranstaltungen ist alleridngs nur selten das selbe Publikum zu finden, welches bei Ballettaufführungen der Weltklasse für ausverkaufte Häuser sorgt- vom Parkett bis in die Ränge.